Inzwischen haben wir vom Ensemble mit Wolfgang und Gianni und der Unterstützung von Tobias, als Regieassistent, viel ausprobiert, wieder verworfen und neu erfunden. Bei unserer Probe mit dem Biografiestuhl zum Kaspar-Stück von Peter Handke. Das ist unser aktueller Stand:

Der Biografiestuhl

Neben Kaspar gibt es bis jetzt drei weitere Figuren, es sind die „Einsager“ (E). Wir nennen sie E 1, E 2 und E3. Sie treten nacheinander auf, in sehr unterschiedlichen Kontakt zu Kaspar. Den Inhalt und die Gestaltung ihrer Szenen will ich noch nicht verraten.  In jeder Probe arbeiteten wir daran diese Figuren auszugestalten. Auch die  Figur des Kaspars verlangte nach mehr Eigenleben und Konturen und vor allem Kontakt (Zug um Zug!) zu den Einsagern. Es gab bei  Peter und Wolfgang am vergangenen Mittwoch noch Unklarheiten und Fragezeichen. Auch meine Figur E1 erschien nicht recht stimmig. Sie blieb mir, trotz aller Freude am Ausprobieren, irgendwie fremd. Hinzu kam, dass auch Kaspar mit ihr fremdelte.

Doch dann gab es den Durchbruch auf unserer letzten Probe vor der Sommerpause  durch den Einsatz einer, wie ich finde, genialen Methode:

Wolfgang arbeitete mit uns allen auf dem „Biografiestuhl“.
Diese Arbeit ist ein Element des „Slow Acting„, eine von Wolfgang erarbeitete, einzigartige und  ganz spezielle Methode der Ausgestaltung einer Bühnenfigur. Hierfür wird der Schauspieler gebeten auf einem Stuhl auf der Bühne Platz zu nehmen. In der Ich-Form, als Figur, mit starker emotionaler Beteiligung deren Lebensgeschichte zu erzählen. Schon im Schauspielunterricht hatte es mir viel Freude gemacht und sehr geholfen, eine Biografie meiner Figur in mir entstehen zu lassen.

Erfüllt von den Geschichten unserer Figuren spielten wir im Anschluss die bisher erarbeiteten Szenen durch. Ich verspürte deutliche Impulse als E1, wie ich mit Kaspar umgehen wollte und kam mit ihm besser in Kontakt. Auch die Interaktionen von E 2 und E 3 mit Kaspar waren ausdrucksstark und berührten mich und die Zuschauenden.

Fazit

Die Biografien unserer Figuren und der Einsatz ihrer Gebärden haben uns allen Halt und Stütze gegeben und den Szenen Struktur verliehen. Mir wurde wieder deutlich, dass das Handeln einer Figur nur authentisch wirkt, wenn es aus wirklich empfundener innerer Betroffenheit oder emotionaler Beteiligung geschieht. Mit der Biografie meiner Figur E1 im Rücken gelingt mir dies leichter, spielerischer,  ich kann so etwas wie eine (Spiel)Identität entwickeln.  Biografie und die Imagination erlebe ich daher als ganz wichtige Grundlagen für die schöpferische Gestaltung einer Figur und ihrer Szene. Natürlich fließt in die Biografie-Arbeit auch immer etwas Persönliches des Schauspielers ein. Aber darin sehe ich nicht unbedingt eine Gefahr für die Professionalität.  Warum nicht aus den inneren Ressourcen und Besonderheiten schöpfen und die Phantasien nutzen, die die Autorengeschichte, bzw. der Dichtertext in uns auslösen?
Ich finde, das ist uns durch die Arbeit mit dem Biografiestuhl gut gelungen.

So konnten wir schließlich mit dem guten Gefühl, einen wichtigen Schritt weiter gekommen zu sein, die Abschlussrunde beginnen, auf die bisherige Arbeit anstoßen und zufrieden in die Sommerpause gehen. Wie es wohl weiter gehen wird? Darauf bin ich gespannt.