Die Wahrheit des Augenblicks
Wer das Theaterlabor kennt, kennt auch Antje. Aber was sie eigentlich genau alles macht, auch über das TheaterLabor hinaus, das wollte ich genauer wissen. Und so trafen wir uns auf einen Kaffee und Datteln im Casino des TheaterLabor und meine erste Frage lag nah…
Junia: Was machst du eigentlich alles beim Theaterlabor oder sollte ich besser fragen, was machst du nicht?
Antje: Anfänglich war geplant, dass ich einmal in der Woche Verwaltungsarbeiten im Büro erledige. Das fand ich erst etwas dröge, aber letztendlich hat es sich für mich dann so entwickelt, dass ich Freiraum-Schafferin für Gianni geworden bin und zwar hauptsächlich in der Verwaltung.
Aber ich bin mittlerweile auch ganz viel involviert in der Vorbereitung von Veranstaltungen und im Casino. Ich mache dort alles, was anfällt. Ich bestelle Getränke, mache den Service, räume Sachen weg, schleppe zusammen mit Gianni Müll – alles!
Junia: Wie bist du ans Theaterlabor geraten?
Antje: Ich bin bei nebenan.de aktiv. Da hatte das Theater nach Ehrenamtlichen gesucht. Das war im Frühjahr letzten Jahres, wo ich in einer Phase war, in der ich mein Leben neu sortieren musste. Deshalb habe ich nach ehrenamtlichen Tätigkeiten gesucht. Theater und die Schauspielerei fand ich eh immer interessant, aber Verwaltung halt nicht, denn ich komme aus einem Job, in dem ich viel Bürokram machen musste. Und ich wollte eher etwas anderes machen, habe dann aber doch Kontakt aufgenommen.
Irgendwann war ich dann hier zu einer Veranstaltung und Gianni hat mich mit seiner Art und Weise, wie wir sie kennen und schätzen, dazu gebracht, es zumindest zu versuchen.
Junia: Was machst du eigentlich hauptberuflich?
Antje: Ich kann dir sagen, was ich gemacht habe. Ich habe bei einer britischen Airline gearbeitet und zwar als freigestellte Betriebsratsvorsitzende auf europäischer Ebene, also für den EU-Betriebsrat. Diese hat dann die Passagier-Abfertigung aus Deutschland ausgelagert, ich bin arbeitslos geworden und ich bin jetzt quasi nichts: also weder arbeitslos noch arbeitssuchend. Ich habe mich einfach entschieden, mein Leben so zu genießen, wie es ist und Dinge zu tun, die mir richtig Spaß machen.
Junia: Und warum steckst du gerade hier so viel Energie rein?
Antje: Mich beeindruckt, mit welcher Freude Gianni und Wolfgang ihre Methode des Slow Actings vermitteln und mit wieviel unermüdlichem Elan sie diesen Verein mit Leben füllen und organisieren. Und was mich besonders überzeugt hat, war die ganze Art. Ich habe mir als Arbeitnehmerin für meine Kollegen und mich immer gewünscht, so einen Arbeitsplatz zu haben wie hier. Der Arbeitsplatz hier ist wertschätzend, unendlich! Motivierend. Lustig. Fröhlich. Und so gemeinschaftlich. Und so kann selbst die widrigste Tätigkeit zum Spaß werden, auch Verwaltung.
In kürzester Zeit wurde ich ein Teil der Theaterfamilie mit all seinen Schauspielern und Ehrenamtlichen und sie ein Teil meines Lebens. Das ist einfach unbeschreiblich wertvoll. Diese Leichtigkeit, die Arbeit zu tun und die Tiefe im Umgang miteinander schätze ich. Auch habe ich hier etwas wichtiges gelernt und das nehme ich auch mit in mein Privatleben: die Wahrheit des Augenblicks. Ich bin ja eher so ein organisierter Mensch, strukturiert, planvoll und dann sagt mir jemand, wenn ich frage, wann ich morgens da sein soll: „Ja, schau mal, wie es passt für dich.“ Am Anfang habe ich mich gewundert. Jetzt verstehe ich, was mit dieser Wahrheit des Augenblicks gemeint ist, und übe mich täglich darin.
Junia: Warum ist dir Ehrenamt so wichtig?
Antje: Dazu fällt mir eine Anekdote ein: Ich saß hier letztens morgens, eine Mitarbeiterin vom Campus schaut rein und sagt: „Was machst du denn hier, hast du keine Hobbies?“ Und ich gucke sie an und antworte: „Ja, aber das ist doch hier mein Hobby.“ Dann kommt zurück: „Warum bist du denn so häufig hier?“ Meine Antwort: „Weil es mir Spaß macht.“
Und es ist tatsächlich so, dass viele oft sagen: „Du bist da so oft. Kriegst du denn da Geld für?“ Und diese Frage finde ich so paradox. Denn das ehrenamtliche Engagement ist wichtig für beide, für den, der Hilfe braucht und eben auch für den Helfer. Es ist ein Give and Take. Ich bekomme total viel. Und das ist ganz entscheidend. Und es spielt keine Rolle, ob ich einen Tag hier bin oder vier. Mittlerweile sind es eher vier (lacht). Aber freiwillig.
Die Freiheit, das zu tun und die Freiheit, auch etwas nicht zu tun, das ist unbezahlbar.
Junia: Ich habe dich hier auch mit der Initiative „Beutel-cool-T“ kennengelernt. Was hat es mit dem Namen auf sich?
Antje: Wir haben lange überlegt, wie wir heißen sollen. Beutel wegen Beutel anstatt Plastiktüte, cool erklärt sich von selbst und das T haben wir drangehängt, um zu sagen, dass es ein Kult werden soll. Das Lesen ist schwierig, aber es spricht sich leicht (lacht).
Junia: Ihr setzt euch dafür ein, dass Verpackungsmüll beim Einkaufen vermieden wird und seid vor allem in Pempelfort und der direkten Umgebung aktiv. Wie ist es zu der Initiative gekommen?
Antje: Es gab einen Nachbarn, Thorsten, der mich irgendwann im Winter 2017 an meiner Haustür angesprochen hat: „Hey, du kaufst doch auch immer mit Beuteln und Dosen ein. Hast du nicht Lust, eine Bürgerinitiative zu starten?“ Und dann war ich sofort dabei und seitdem werkeln so drei bis fünf Leute in dieser Bürgerinitiative mit. Wir wollen nicht die ganze Welt bekehren, sondern wir bleiben in unseren Vierteln und das, was wir in unserem Umfeld verändern können, ist genug.
Wenn das jeder täte, dann wäre die Welt schon viel viel besser. Wir sprechen viel mit Nachbarn, und wir wollen wie ein Vorbild fungieren. Um erkannt zu werden haben wir rote Shirts und Kapuzenpullis mit unserem Känguru-Logo, sodass wir auch angesprochen werden und in den Austausch gehen können. Ein bis zweimal im Jahr haben wir einen Stand auf dem Wochenmarkt am Kolpingplatz und das war unser Dreh- und Angelpunkt am Anfang, weil auch zwei Biobauern mitmachen. Die beiden unterstützen uns aktiv im Hintergrund.
Für die Marktverkäufer haben wir sogar eine Schulung gemacht, damit diese ihr eigenes Verhalten beim Verkaufen verändern und zum Beispiel fragen, ob die Kunden ihre eigene Tüte dabeihaben. Wir wollen aber nicht bevormundend auftreten und geben Beispiele, machen Aktionen: Bienenwachstücher herstellen oder Brotbeutel nähen usw. Seit dem Herbst letzten Jahres haben wir übrigens hier im TheaterLabor TraumGesicht eine Heimat gefunden, machen hier unsere Treffen und haben mit Gianni auch ein neues Mitglied gewonnen.
Junia: Wie reagieren die Leute auf euch?
Antje: Die ältere Generation, älter als ich, die sagen: Hey, das machen wir doch schon immer so. Dann gibt es die Generation so um die fünfzig, die noch nicht so bewusst damit umgehen, und dann gibt es viele Familien in Pempelfort. Die Kinder sind richtig gut drauf. Das mache ich besonders gerne – die Kinder ansprechen und mit denen reden. Was die einem alles schon erzählen können. Wahnsinn. Wir haben auch Kontakt zu einigen Läden, zum Beispiel zum Superbiomarkt. Oder zum Amt für Verbraucherschutz, weil sie ja Einfluss auf die Hygienevorschriften haben. Wir melden uns dort regelmäßig, denn diese Vorschriften müssen überarbeitet werden, damit die Geschäfte die Möglichkeit haben, unverpackt verkaufen zu können. Für die Verkäufer ist es ein Umdenken, aber es funktioniert.
Junia: Und zwei ehrenamtliche Tätigkeiten sind dir offensichtlich noch nicht genug…
Antje: Nein, ich wollte eigentlich auch immer was mit Kindern machen. Und jetzt begleite ich einmal im Monat auf der Strecke Berlin-Düsseldorf allein reisende Kinder und kümmere mich um sie während der Zugfahrt. Ich lerne da total viel. Häufig sind es Scheidungskinder, die schleppen dann auch entsprechende Problematiken mit sich rum, da muss man sich schon feinfühlig mit auseinandersetzen. Aber man wird von der Bahnhofsmission geschult. Ich musste dort auch fünf Schichten „schieben“. Es war hart, aber ich bin froh, dass ich es gemacht habe. Weitere Schulungsmöglichkeiten verschiedenster Art habe ich übrigens bei der Diakonie Düsseldorf wahrgenommen.
Junia: Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Junia Hergarten
Ein sehr schöner Bericht, hat mir sehr gefallen und mich motiviert, meinen kurz bevorstehenden Ruhestand aktiv anzugehen. ‚Kenne‘ Antje von nebenan.de und da ist sie mir auch schon positiv aufgefallen. Ganz toll, was sie so alles macht. Ich werde ehrenamtlich bei der Kulturliste mitmachen, was momentan aber erst mal auf Eis gelegt ist. Aber wer weiß, was noch auf mich zukommen wird. Herzlichen Gruß Ursula Böse aus Pempelfort.
Danke Ursula, für deinen Kommentar. Antje motiviert mich auch mit Ihrem ehrenamtlichen Engagement in unserem TheaterLabor. Motiviert mich immer wieder aufs Neue, genauso weiter zu machen. Ich freue mich darauf, dich zu einer unserer nächsten Veranstaltungen zu begrüßen.
Bleib gesund!
Gianni
Von Betriebsratsvorsitzender einer Airline hin zur ehrenamtlichen Arbeit beim TheaterLabor – was für eine Karriere! Viel Spaß und Erfolg wünsche ich Dir weiterhin.
Hallo Tobias, wir haben einfach viel zu bieten im TehateLabor. Dir alles Liebe und vor allem Gesundheit.
Gianni
Liebe Theaterfamilie – und freunde,
Was für herzliche Rückmeldungen. Sie zeigen mir ganz deutlich, dass ich angekommen bin.
Für mich in der Tat eine Karriere – da zu „landen“, wo ich hingehöre.
Ich danke Euch. Es ist eine große Freude, für und mit Euch zu werkeln.
Bleibt gesund – wir wollen uns doch bald wiedersehen.
Liebe Grüße
Antje
Danke, liebe Junia, dass du Antje in unserem Blog zu Wort hast kommen lassen. Sie hat es echt verdient!
Denn, liebe Antje. Du bist echt ein Vorbild – auch für mich – wenn ich an den kommenden „aktiven“ Ruhestand denke. Mein Engagement im TheaterLabor ist ja ein bisschen anders gelagert, aber wer weß, auf was für Ideen ich noch komme. In meinem Stadteil Benrath gibt es die „Benrather Initiative für Nachhaltigkeit“ – auch ein sehr engagierte Gruppe aus denen ich einige Mitglieder gut kenne und deren Aktionen und Anstöße mich motivieren achtsam mit Ressourcen umzugehen.
Dann möchte ich dir noch sagen, dass es für mich immer wieder eine Freude ist, dir im TheaterLabor zu begegnen. Du bist – wie Gianni auch – dort eine weitere gute Seele, die Warmherzigkeit und Fürsorge vermittelt. Das tut gut, z.B. wenn man aufgeregt ist vor einer Aufführung und du dann einfach schon einen Tee in die Maske gestellt hast. Oder dich um unsere Besucher kümmerst, u.v.m.
Dafür einen ganz ganz herzlichen Dank. Hoffentlich können wir uns bald wieder im TLTG begegnen.
Herzliche Grüße
Sigrid
Liebe Antje,
ich freue mich sehr über diese Einblicke in Dein Tun. Danke, dass Du meine Ehrenamtskollegin bist,
Ilse
Was für ein schönes Interview. Danke Junia, das du mit Antje gesprochen hast.
Ja, Antje, es ist wunderbar, dich im Team der Ehrenamtlerinnen zu haben. Es macht mir große Freude, wenn wir uns bei der Arbeit begegnen. Du bist so engagiert, bringst soviel Leben ins TheaterLabor. Sorgst dich um alle, kümmerst dich. Das ist einfach nur klasse.
Ich, mit mittlerweile vielleicht längste Ehrenamtlerin?, kann ja nun viel zu Hause arbeiten. Aber du leistest die körperliche Arbeit im Campus. Mit soviel Freude. Und auch jetzt in der Coronakrise bist du vor Ort, um im Campus etwas herzurichten.
Ich freue mich schon, wenn alles überstanden ist, und wir uns dann bei der Arbeit im Campus wiedersehen. Bis dahin bleib gesund.
Herzlichst
Gabriela