Sonja Kandels und Lars Wellings haben anlässlich des 125. Geburtstags von B. Brecht ein tolles, ganz individuelles Bühnenprogramm mit Liedern, Gitarrenmusik und Rezitation von Brechts Liebesgedichten zusammengestellt, von dem ich unbedingt erzählen möchte.
Gloria und Sebastian
Gleich zu Beginn wurde deutlich: das ist heute ein besonders gestalteter Abend. Sonja und Lars – als Künstlerpaar waren sie Gloria und Sebi – traten heftig streitend in den Bühnenraum. Ihr war das Theater zu klein mit zu wenig Zuschauer*innen, und es fehlte ihr auch der Pianist. Er blieb ruhig, ließ den Ärger abprallen und schlug Gitarrenbegleitung vor für diese „Probe“, wie sie es nannten. Beide Künstler trugen damit sofort eine intensive Beziehung auf die Bühne. Frotzelnd, ironisch, locker und stets miteinander in Kontakt präsentierten sie dann Liebesgedichte Brechts und ausgesuchte passende Lieder.
Temptation
Gloria wärmte auf der Bühne zunächst mit der „Blubbertechnik“ ihre Stimme auf, sortierte ihre Texte auf dem Boden und sang dann afrikanisch anmutende Silben, Lieder auf Deutsch, Spanisch und Englisch mit ihrer schönen Jazzstimme. Manchmal solo, manchmal im Duett oder Chor mit Sebastian, der virtuos mit der Gitarre begleitete. Er trug Gedichte immer auch im Kontakt mit Gloria vor. Beide warfen sich die Bälle zu, rezitierten dialogisch oder gleichzeitig und vermittelten so eine große Lebendigkeit. Gloria nutzte den Bühnenraum und einmal sogar das Klavier für eine laszive, erotische Körperlichkeit, mit der sie das Lied „Temptation“ vortrug. Wie passend! Denn in Brechts Liebesgedichten geht es um Verführung, Verlockung, körperliche Liebe. Die ausgewählten Gedichte vermittelten dann auch die unterschiedlichen Facetten seiner Gedichte.
Die Kraniche und die Engel
Brecht formuliert einerseits zarte Sprachgebilde, z.B. im Gedicht „Erinnerung an die Marie K.“ (An jenem Tag im blauen Mond September, still unter einem Pflaumenbaum, da hielt ich sie, die stille bleiche Liebe, in meinem Arm, wie einen holden Traum ….Doch ihr Gesicht, das weiß ich wirklich nimmer. Ich weiß nur mehr, ich küsste es dereinst…..). Oder in „Terzinen über die Liebe“ (Sieh jene Kraniche in großem Bogen! Die Wolken, welche ihnen beigegeben zogen mit ihnen schon, als sie entflogen….. Ihr fragt, wie lange sind sie schon beisammen? Seit kurzem. Und wann werden sie sich trennen? Bald. So scheint die Liebe den Liebenden ein Halt.) Und anderseits spricht er in genüsslich frechen, auch derben Versen von sexuellen Praktiken und männlicher Lust und Verzweiflung (z.B. in „Engel verführt man gar nicht oder schnell“).
Erstens bis siebtens und noch mehr….
Beeindruckt hat mich auch Brechts Stilmittel der emotionalen Distanzwahrung im Gedicht „Gesang von einer Geliebten“, in dem die Strophen durchnummeriert werden von „erstens bis siebtens“ – wunderbar vermittelt im Zusammenspiel von Lars und Sonja alias Sebi und Gloria.
Die Lockerheit der Beiden – auch mal vergessener Text wurde mit Leichtigkeit überspielt – ihre Freude beim Singen, Lesen, Spielen, die Zusammenstellung des Programms und der beeindruckende Stil Brecht`scher Liebesgedichte hat mich an diesen Abend wirklich begeistert und inspiriert. Danke dafür!
Am Ende dann auch Versöhnliches in der Beziehung von „Sebi“ und Gloria. „Das mit der Gitarre war gar nicht so übel“, meint sie und: „oh, es sind ja auch ein paar Leute gekommen!“
Genau, denn wir waren sogar ausverkauft!
Es gab verdienten anhaltenden tosenden Applaus, mit dem zwei Zugaben erklatscht wurden.