Zum dritten Mal durfte ich das Schülerkabarett des Johannes Rau Gymnasiums auf der Bühne unseres Theaterlabors erleben.
„AMPEL GEHAMPEL – EINE KRISE GEHT NOCH“; so der Titel ihres 30. Programms. Ein unglaubliches Jubiläum!
Ein neues Ensemble hat mit Unterstützung und Mitwirkung einiger Ehemaliger wieder ein buntes, spritziges, bissiges und intelligentes Programm zusammengestellt: 11 Szenen, die mit satirischem Scharfsinn die politische und gesellschaftliche Situation in Deutschland aufs Korn nahmen. Dazu flotte Musik, Gesang von Schlagermelodien bis RAP, witzige Kostüme und Requisiten.
Atemloser Einblick
Zu Beginn kam die „Ampelgang“ in farbigen T-Shirts (grün, gelb, rot) auf die Bühne. Grüne und Gelbe stritten sich in nur zu bekannter Weise, und Rot („Scholzi“) hielt sich bedeckt. Ganz nach dem Motto: „wenn Zwei sich streiten, halte ich mich raus“. Der Song „Wir sind die Regierung – brechen jedes Gesetz“ nach der Melodie von „Atemlos“ brachte Stimmung ins Publikum.
Als nächstes bemühte sich ein Paar vergeblich um einen Besuch im Restaurant. Die zahllosen Testbescheinigungen (Impf-, Blut-, Urintest, Nachweis von Chat- und Browserverlauf und ….) ließen verzweifeln, und dann gab es eh keine Kellner mehr.
Dazwischen machte sich „Herr Lauterbach“ immer wieder bemerkbar mit seiner Forderung zum Maske tragen.
Porsche, Kaffeemaschine und das Virus
Eine Nachhaltigkeitsausstellung wurde von einem Porschefahrer besucht, und sein Wandel zum Radfahrer gestaltete sich auch nicht überzeugend.Schließlich wurde das Rad nur für den Weg von und zum Parkplatz benutzt. Dem Globus Erde ging das Licht aus und die Erde rief jeden auf: „Helft mir! Helft mir, in dem ihr weniger von allem nutzt und kauft und konsumiert und …. einfach bescheidener werdet.“
Herrlich komisch dann eine Lehrer*innenkonferenz zum Thema Digitalisierung. Ablehnung und Unwissen gingen Hand in Hand. Super Idee: man könnte ja die Schüler fragen! Und das Wlan praktisch für die Bedienung der Kaffeemaschine nutzen.
Weiter ging´s mit Auftritt des uns allen zu genüge bekannten Virus. „Ich hab euren Alltag bestimmt“! Wie wahr! Auch wahr, dass es nicht nur unsere körperliche Gesundheit beeinträchtigt hat, sondern auch unser mentale Verfassung. Letzteres wurde viel zu wenig beachtet.
„Wir wollten soviel…aber dann waren wir high“
Vor der Pause dann die für mich beeindruckendste Szene. Drei Spielerinnen, drei RAP-Gesänge. Zwei brachten die Gedanken und Erfahrungen von Flüchtlingen zum Ausdruck und schließlich ein RAP einer nachdenklichen Deutschen. Wie gern hätte ich die Texte noch einmal gehört oder gelesen.
Nach der Pause ging es weiter mit Themen wie Homophobie, Diversität, lachhaftem Sexualkundeunterricht und Schweigekultur in Schule und Elternhaus.
Ein Sketch thematisierte Impfpassfälschung, Impfgegnerschaft und Verschwörungstheorien.
Eine gelungene Metapher dann das auffällige „Krisenkind“( die Klimakatastrophe) . Es überschwemmt die Welt und verbrennt unsere Häuser, Städte und Wälder. Und was machen die „Eltern“, die es zur Welt brachten? Ignorieren und Verharmlosen! Puh!
Und was geschieht im Bundestag? Cannabis ist legalisiert. Alle sind bekifft und singen. „Wir wollten soviel…aber dann waren wir high. Wir wollten nie Waffen, aber dann waren wir high. Wir wollten keine Atomkraft, aber dann ….
Dann kam der Krieg, wir schicken Waffen und haben selber nichts mehr.
Zum Abschied kam Mutter Merkel
Verdienter, tosender Applaus und natürlich eine Zugabe:
Unter Urlaubern im Hawaihemd singt „Mutter Merkel“ mit großem Busen und Dreiknopfblazer: „Ich wünsch euch noch ein gutes Leben, doch ohne mich wird es euch schlechter gehen.“ Alle weinen „Mama Merkel“ hinterher. Doch, eine Krise geht noch“! Oder?
Ich habe, so wie die anderen Zuschauer*innen, viel gelacht, aber auch geschluckt. Voller Bewunderung habe ich diesen engagierten jungen Menschen zugeschaut und zugehört. Ihre Generation betrifft ja all diese Krisen, die wir „Alten“ nicht unerheblich zu verantworten haben. Da ist mir wieder ordentlich der Spiegel vorgehalten worden. Es tut aber gut zu erleben, mit wieviel Energie, Intelligenz und vor allem Humor den Herausforderugen begegnet werden kann. Besonders dann, wenn man zusammenhält. Diese Gemeinschaft hat den Kabarettungsdienst wieder ein bemerkenswertes Programm auf die Bühne bringen lassen und die Lachmuskeln aktiviert. Humor ist doch die beste Medizin gegen Pessimismus und stärkt unsere Widerstandskraft.
Ich freue mich schon auf das nächste Mal.
Sigrid Loose-Abendroth